Angstverhalten

Was ist Angst bei Hunde,wie erkennt man sie, was kann dagegen tun.

Dies ist eine Zusammenfassung meiner Notizen bzw. der Folien vom Seminar Angstverhalten
November 2013
Dozentin
Dr. med. vet. Barbara Schneider

Als erstes müssen wir unterscheiden zwischen Furcht und Angst.

Angst ist nie konkret, sondern ein Grundgefühl, das sich in bedrohlich empfundenen Situationen als Besorgnis und unlustbetonte Erregung äußert.
Auslöser können erwartete Bedrohungen wie z.B. der körperlichen Unversehrtheit, der Selbstachtung oder des Selbstbildes sein.

Furcht dagegen ist konkret und ein Gefühl konkreter Bedrohung. Furcht bezeichnet die Reaktion des Bewusstseins auf eine gegenwärtige oder vorausgeahnte Gefahr und ist im Gegensatz zur Angst fast immer rational begründbar.

Die natürliche Furcht/Erschrecken ermöglicht eine sinnvolle Reaktion auf schwierige Situationen

Anzeichen von Angst (körperlich und im Verhalten) können sein:

  • Eingeklemmte Rute
  • Angelegte Ohren
  • Geduckte Haltung
  • Gesträubtes Fell/“Kamm“
  • Maul fest geschlossen
  • Lefzen zurückgezogen
  • Augen schmal oder weit aufgerissen
  • Jaulen
  • Winseln
  • Knurren
  • Bellen
  • Heulen
  • Schreien
  • Angespannte Muskeln
  • Sehr langsame Bewegungen
  • Auf und ab laufen
  • Schütteln
  • Zittern
  • Erweiterte Pupillen
  • Starke Speichelproduktion/Sabbern
  • Schnelles oder sehr langsames Blinzeln
  • Schweißpfoten
  • Gähnen
  • Haarausfall/Schuppen
  • Flache Atmung oder Keuchen
  • Klammert sich an Besitzer
  • Wachsames beobachten des Umfeldes
  • Unruhe/Hyperaktivität
  • Zerstörung
  • Gehorsamsverweigerung

Im Extremfall kann es auch zu

  • plötzlicher Analbeutelentleerung
  • Kontrollverlust über Blase/Schließmuskel
  • Plötzlichem Erbrechen kommen.

Normale Entwicklung

Zuerst einmal ist Angst ein ganz natürlicher Teil der normalen Entwicklung, insbesondere Welpen sind anfangs nur neugierig, da sich das Angstgefühl erst mit ca. der 6. Lebenswoche entwickelt, aber der 8. Woche wieder die Neugier überwiegt.

Angstphasen sind vermutlich
1. Phase: ca. 8-10 Wochen
2. Phase: ca. 17-21 Wochen (4 Mo)
3. Phase: ca. 9. Monat
4. Phase: 12-14 Monate

Diese Entwicklung ist nicht genau festzulegen, da von Rasse zu Rasse und auch innerhalb eines Wurfes unterschiedlich !

Unsicherheiten des Hundes sind oft schwer von Angst abzugrenzen, allerdings ist der Hund bei Unsicherheit insgesamt zwar sehr vorsichtig, aber noch gut ansprechbar und lernfähig, mit einem guten Vorbild kommt er gut zurecht

Phobien sind eine Sondergruppe der Angst, es gibt zwar konkrete Auslöser, aber es ist keine reale Gefahr vorhanden, der Hund aber hat krankhafte Angst und ein massives Gefühl der Machtlosigkeit,

Beispiele für Phobien:

Geräuschphobie (Gewitter, Knaller, Schüsse, extrem dann zu Sylvester)
Trennungsangst/-phobie

Panik ist nicht generalisiert, also auf bestimmte Situationen bezogen, meist unvorhersehbar für den Halter. Panik kann mit starken körperlichen Symptomen einhergehen wie Herzrasen, extremes Hecheln, Speicheln, Erbrechen, koten, urinieren

Angst an sich ist wichtig und lebensnotwendig, die gelernte Verbindung von diversen Reizen und deren Konsequenzen, wird also erlernt durch eigene Erfahrungen, der Beobachtung fremden Verhaltens (z.B. Zweithund), Unsicherheit und dadurch bedingtes Verhalten des Besitzers, Warnhinweise des Halters usw.

Häufige Ursachen sind u. a.

Schlechte Zucht

Vermehrer

  • der Hund lernt in seiner Welpenzeit nichts kennen
  • mangelnde Sozialisierung
  • Mehrfach schlechte Erfahrungen in bestimmten Situationen
  • Beeinträchtigung der Sinne bzw. Krankheiten

Nicht zu unterschätzen bei Angst ist auch das Thema Schilddrüse
Schilddrüsen-Funktion Link einfügen

Was passiert bei Angst?
In bedrohlich empfundene Situation reagiert die Amygdala (zuständig für die Verarbeitung von Sinneseindrücken) die Nebennierenrinden-Achse wird aktiviert,
Adrenalin wird ausgeschüttet, es entsteht erhöhte Aufmerksamkeit, die Pupillen erweitern sich, Seh- und Hörnerven werden empfindlicher

Auswirkungen von Adrenalin, Noradrenalin und Corticosteron sind:

  • erhöhte Muskelanspannung und Reaktionsgeschwindigkeit
  • erhöhte Herzfrequenz,
  • erhöhter Blutdruck
  • flachere und schnellere Atmung
  • Energiebereitstellung in Muskeln
  • Blasen-, Darm- und Magentätigkeit werden während des Zustands der Angst gehemmt, allerdings kann es im Extremfall zu einem Verlust der Schließmuskelfunktion kommen, dies ist nicht mit dem „Freudenpippi“ zu verwechseln

Die o.g. Auswirkungen versetzen den Körper in eine erhöhte Leistungsbereitschaft, sind also soweit normale Reaktionen, die das Überleben in bestimmten Situationen sichern sollen

Die Abgrenzung zwischen „natürlicher Angst“ und einer Angststörung ist nicht immer leicht, daher muss der gesamte Kontext gesehen werden

Eine Angststörung liegt z. B. vor, wenn:

  • eine übersteigerte Reaktion auf Reize gezeigt wird
  • der Hund in der Situation nicht oder nur schlecht ansprechbar
  • das Lernen völlig blockiert ist
  • Panikattacken auftreten
  • das Verhalten in Richtung “keine Rücksicht auf Verluste“ geht

Angstauslöserbei prädispositionierten Hunden können sein:

  • Trennung vom Rudel
  • Langeweile
  • Mangelnde Auslastung oder Überforderung

Allgemeine Therapieansätze können sein:

  • Ruhe und Gelassenheit des Besitzers, Vorbild sein
  • Weitgehende Vermeidung von Angstauslösern
  • Geregelter Tagesablauf
  • Heimeliger, sicherer Aufenthaltsort für Hund
  • Belohnung von entspanntem Verhalten
  • Körperliche und geistige Auslastung

Im Training allgemein:

  • mit positiven Methoden arbeiten
  • keine körperliche Gewalt anwenden
  • Brustgeschirr (bei großen Hunden Kopfhalter wenn nötig)
  • das Training soll Spaß machen
  • nach und nach unter steigernder Ablenkung/Schwierigkeit trainieren
  • falls notwendig Hundetrainer/Hundeschule sehr gut aussuchen, evtl. erst ohne Hund testen

Bei sehr unruhigen/hibbeligen Hunden kann „Entspannen auf Kommando“ hilfreich sein

  • beginnen wenn der Hund müde oder ausgepowert ist
  • ruhig warten bis Hund sich ablegt und dann ruhig loben
  • ein Kommando wie z. B. „Relax“ für jedes ablegen einüben
  • zuerst daheim in einem, dann in anderen Räumen üben
  • dann erst draußen unter keiner bis wenig, dann wachsender Ablenkung
  • evtl. spezielle Decke dafür mitnehmen

Kehrtwende üben (um einer Gefahr aus dem Weg gehen zu können)

  • jeden Richtungswechsel immer mit einem bestimmtem Codewort belegen
  • immer an durchhängender Leine
  • in alle Richtungen üben
  • als Halter immer schön ruhig bleiben
  • regelmäßig und keinesfalls nur bei Auslöser üben

Bei einer Desensibilisierung geht man wie folgt vor

  • der Auslöser wird in einer solchen Intensität dargeboten, dass noch keine Angstreaktion auftritt
  • langsame, schrittweise Steigerung der Intensität (z.B. Entfernung, Größe, Lautstärke etc.)
  • nicht zu lange üben, Hund beobachten, bei Stress sofort abbrechen

Eine Gegenkonditionierung kann mit der Desensibilisierung verbunden werden

  • eine tolle Belohnung finden: Leckerchen, Spiel
  • streicheln, verbales Lob etc.
  • diese tolle Belohnung mit dem Auslöser verbinden und geben wenn der Hund entspannt bleibt
  • unter Umständen assoziiert der Hunden den Auslöser dann mit der Belohnung anstatt mit Stress

Eine Gewöhnung funktioniert allerdings nur bei leichter Angst.

DAP (Dog appeasing pheromone) sind einem Pheromon nachempfunden, das von laktierenden Hündinnen ausgeschieden wird. Dem Produkt wird eine beruhigende Wirkung nachgesagt, die jedoch in Fachkreisen umstritten ist.

Ich selber habe es bei zwei Hunden getestet.

Hund 1: massive Gewitter u. Sylvesterpanik, DAP über mehrere Wochen als Zerstäuber in der Steckdose
Keinerlei Verbesserung mit DAP

Hund 2: nach Einzug bei uns anfangs täglich lautes Schreien und umherlaufen im Auto (Pet-Tube), wollte anfangs nicht einmal ins Auto steigen.
Ca. 2 Wochen regelmässig vorher im Auto versprüht
Keinerlei Verbesserung mit DAP
Verbunden mit positiven Erfahrungen nach kurzen Autofahrten und Hilfe von Dana hat er die Angst verloren.

Calming Cap, eine Art Maske die sich über den Kopf zieht

  • schränkt massiv die Sinne ein und ist nicht empfehlenswert,
  • sehr oft sogar kontraproduktiv,
  • kann den Hund in Panik versetzen

Angst vor Böllern

Diese kann ab dem ersten erlebten Sylvester oder nach einem besonders heftigen Sylvester auftreten, auch eine genetische Prädisposition ist möglich.

Im Gegensatz zur Gewitterangst (disponierte Hunde haben sowohl mit Gewitter, als auch an Sylvester massive Probleme) ist Sylvester besonders schlimm, da die Knallerei oft über Tage anhält und der Hund kaum eine Chance hat, diesem angsteinflößenden Problem auszuweichen und damit immer mehr in eine sogenannte erlernte Hilflosigkeit gerät.

Symptome sind u. a.

  • Zittern
  • Winseln/Jaulen
  • Heulen/Bellen
  • Urin- und/oder Kotabsatz im Haus
  • Verstecken
  • einfrieren an einer Stelle
  • Unherwandern
  • Hecheln
  • Erbrechen
  • Weigerung das Haus zu verlassen
  • Anhänglichkeit

Meist beginnen die Symptome mit dem 1. Knaller und halten in schweren Fällen teilweise bis zu 1 Woche nach Sylvester an. Dies ist durch den langsamen Abbau der tagelang aufgebauten Stresshormone bedingt.

Managementmaßnahmen

  • Möglichst weit in eine ruhige Gegend an Sylvester fahren und dort lange spazieren gehen.
  • In der Wohnung den Hund an den ruhigsten Ort bringen
  • Rollos runter
  • Ggfls. eine Höhle schaffen (Decke über den Tisch) wo sich der Hund verstecken kann
  • Bei einigen Hunden wirkt Musik, viele sollen auf Klassik gut reagieren

Bei uns hat es um Mitternacht immer mit Deep Purple in Arena Laustärke Erleichterung gebracht, dies überspielt das heftige Geräusch der Knaller.

WARNUNG !!!
Es soll immer noch – obwohl die Wirkung erwiesen ist – Tierärzte geben, die als Anxiolytika (Mittel gegen die Angst) Acepromazin/Vetranquil bei Geräuschangst/Sylvesterpanik verschreiben.

Dieses Mittel stellt den Hund ruhig, ABER die Geräuschempfindlichkeit steigt an, ist also in meinen Augen Tierquälerei !

In schweren Fällen kann unter Umständen Alprazolam verabreicht werden, dies ist ebenso wie die genaue Dosierung mit dem TA zu besprechen ! (verschreibungspflichtig !)

Bei diesem Medikament ist zu beachten:
Es muss unbedingt für einige Tage länger vor Sylvester verabreicht/getestet werden denn:
Es kann wie bei einigen Menschen bei Valium genau zur umgekehrten Reaktion führen, d. h. es sediert den Hund dann nicht, sondern steigert seine Erregung und kann zu Aggressionen führen.
Auch darf es nicht zu oft/lang gegeben werden, da es wie beim Menschen bei regelmäßiger Einnahme zu Abhängigkeit führen kann.
Hunde mit Leberschäden, trächtige und laktierende Hündinnen dürfen es ebenfalls nicht einnehmen !

Man kann natürlich eine Desensibilisierung versuchen, allerdings ist diese sehr zeitaufwändig, auch stressig für den Hund und gerade bei Sylvesterangst (also Dauerbeschallung) selten richtig erfolgreich.
Die im Handel erhältlichen Geräusch-CD`s kann man versuchen, allerdings können die meisten Hunde unterscheiden, ob die Geräusche aus dem Lautsprecher kommen oder „echt“ sind.

Gewitter/Geräuschangst bzw. Phobie

Oft sind ängstliche/leicht nervöse Hunde betroffen, erste Symptome treten teils mit 1-2 Jahren auf, die sich dann jährlich verschlechtern können.
Kann auch in Verbindung mit Trennungsangst auftreten.
Gerade bei einer Geräuschphobie ist oft Detektivarbeit nötig, um den entsprechenden Auslöser zu identifizieren.

Kann durch genetische Prädisposition oder ein traumatisches Erlebnis ausgelöst werden.

Auslösende Geräusche können z.B. sein

  • Donner
  • Wind/Blätterrauschen
  • Müllabfuhr
  • Piepsen von Lastwägen, Schneeräumern oder Rauchmeldern
  • Babygeschrei
  • Ultraschallgeräusche von Nagerabwehrgeräten

Auslösende Reize bei Gewitterangst/Phobie

  • Donner
  • Wind/Blätterrauschen
  • Regengeräusch
  • Blitze
  • Dunkle Wolken am Horizont
  • Änderungen im Luftdruck
  • Statische Aufladungen

Symptome können sein

  • Zittern
  • Winseln/Jaulen/Heulen/Bellen
  • Urin- und/oder Kotabsatz im Haus
  • Verstecken
  • Freezing
  • Umherwandern
  • Hecheln
  • Erbrechen
  • Weigerung das Haus/bestimmte Zimmer zu verlassen/zu betreten
  • Anhänglichkeit
  • Zerstörung von Gegenständen (evtl. nur bei Abwesenheit des Halters)
  • Verstecken in der Badewanne, unter Spülbecken, unter Tischen

Managementmaßnahmen

  • Wenn möglich nicht bei Gewitter mit Hund rausgehen
  • Hund an einen möglichst ruhigen Ort bringen
  • Rollos runter
  • Hintergrundgeräusche (Radio laut einschalten)
  • Vorbild sein, entspannt und fröhlich bleiben
  • Nicht bemitleiden, aber für den Hund da sein

Anxiolytika, die sich nicht bewährt haben sind Selgian und Zylkene

Trennungsangst (allgemein)

Erste Symptome treten oft im 2. Lebensjahr auf, die sich dann – nicht behandelt – immer mehr manifestieren.

Grundsätzlich ist das alleine bleiben nicht normal für einen Hund, sie können es aber durchaus lernen, eher ängstliche Hunde sind anfälliger für Trennungsangst, je häufiger ein Bezugspersonenwechsel stattgefunden hat, desto stärker die Neigung zu Trennungsangst.
Trennungsangst kann aber auch durch eine Geräuschangst ausgelöst bzw. verstärkt werden.

Auch eine zu enge Bindung kann zu Trennungsangst führen!

Symptome können u. a. sein

  • Der Besitzer wird auf Schritt und Tritt verfolgt
  • der Hund liegt so an gewissen Kontrollpunkten, dass er seinen Besitzer immer sehen kann
  • er zeigt sofort ängstliches und unruhiges Verhalten, wenn sich der Besitzer zum Gehen fertigmacht
  • Aggression beim Abschied können vorkommen
  • Bellen, Jaulen, Winseln, das länger als einige Minuten nach Weggehen des Besitzers andauert
  • Unsauberkeit/Erbrechen
  • Extremes Sabbern
  • psychogene Anorexie
  • extreme Begrüßung
  • Zerstörung von Gegenständen während Abwesenheit des Halters

Für eine genaue Anamnese sind Videoaufnahmen, mind. aber Tonaufzeichnungen und Beschreibung der Gesamtsituation/Tagesablauf notwendig

Therapie:

  • Distanztraining
  • Langes Platzliegen in Körbchen, auf Decke antrainieren
  • Türen hinter sich schließen, Hund dabei im anderen Raum lassen
  • evtl. Getrenntes Schlafen
  • Aufmerksamkeitsforderndes Verhalten ignorieren
  • evtl. Rangordnungstraining

Alleinbleiben trainieren

  • Hund während Therapiephase nie außerhalb der Trainingszeiten alleinlassen
  • mit max. 5 Minuten 2-3 mal täglich beginnen, langsam steigern
  • den Abschied immer kurz und fröhlich gestalten
  • Alleinbleiben angenehm gestalten, beliebtes Spielzeug z. B. nur während der Abwesenheit rausgeben, einen gefüllten Kong dalassen und dergl.
  • Rückkehr knapp halten
  • Bei der Rückkehr sofort Spielzeug und Futter wegnehmen
  • Den Hund erst beachten wenn er sich ruhig verhält
  • Die Begrüßung knapp und ruhig halten

Unterstützende Maßnahmen können sein

  • Körperliche und geistige Auslastung (z.B. Agility, allgemeiner Aufbau des Selbstbewusstsein
  • Trainieren von neuen Kommandos und damit Verbesserung der Kommunikation

Das oft beschriebene Training wie:
Mantel anziehen, Schlüssel nehmen, daheim wieder alles weglegen und sich hinsetzen (ohne wirklich zu gehen) führt zu keinem Erfolg und ist eher kontraproduktiv, da der Hund sehr wohl bemerkt, ob der Halter „nur so tut“ oder wirklich geht.

In wirklich extremen Fällen kann sich der Einsatz eines Medikamentes für die Anfangszeit empfehlen.
Dies ist genauestens mit dem TA/Verhaltenstherapeuten zu besprechen.

Keinesfalls einen 2. Hund anschaffen in dem Irrglauben, dann würde es besser/einfacher werden.

Ursachen können gesundheitliche oder körperliche Probleme sein, wie z.B.

  • Arthritis
  • Cushing
  • Hypothyreose
  • Tumoren
  • Bandscheibenvorfall
  • In der Nacht auch psychische und physische Trennung von Besitzer
  • Weniger Ablenkung
  • Schlafstörungen durch Schmerzen
  • Alter allgemein und damit verbundene Probleme seelischer oder gesundheitlicher Art

Folgende Symptome können auftreten

  • Verschlechterung bereits bestehender Angstprobleme
  • Plötzliches Auftreten neuen Angstverhaltens
  • Umherwandern/Hecheln
  • Winseln
  • Aufmerksamkeits-forderndes Verhalten
  • Veränderter Schlafrhythmus
  • Urin- und (Kot-) Absatz im Haus

Zur Diagnose ist eine ausführliche Anamnese nötig, um zu klären, ob es sich um „normale Trennungsangst oder das kognitive Dysfunktionssyndrom handelt

Bei körperlichen/gesundheitlichen Problemen sind diese zu behandeln, ggfls. diagnostische Schmerzmittel.

Ein plötzliches Auftreten von Angstverhalten ist immer verdächtig (auch wenn es nur in der Nacht auftritt. Das medizinisches Problem muss gefunden und behandelt werden, unter Umständen kann eine Schmerztherapie hilfreich sein, da damit Stress und Angst oft deutlich reduziert werden können.

Angst vor Personen/Gegenständen/Tieren

Nicht gemeint ist hier das kurze anbellen von Gegenständen, die üblicherweise nicht da hingehören, wie z.B. ein Luftballon in der Wiese.

Auch hier sind meist die eher ängstlichen Persönlichkeiten betroffen, die zudem

  • eher reizarm aufgewachsen sind
  • mangelhaft sozialisiert wurden
  • diverse schlechte Erfahrungen gemacht

Symptome können sein

  • Zittern
  • Winseln/Jaulen/Heulen/Bellen
  • Urin- und/oder Kotabsatz im Haus
  • Verstecken
  • Freezing
  • Umherwandern
  • Hecheln
  • Erbrechen
  • Übersprungshandlungen/Beschwichtigungssignale
  • Meideverhalten
  • Aggression

Für die Diagnose ist eine ausführliche Anamnese und genaue Beobachtung der spezifischen Situationen notwendig um den genauen Auslöser zu identifizieren

Auslöser bei Angst vor Gegenständen können sein

  • Bewegung
  • Geräusche
  • Untergrund wie Rolltreppe, Parkett etc.
  • „das Unvorhersehbare“/Kontrollverlust

Auslöser bei Angst vor Personen können sein:

  • Alter
  • Geschlecht
  • Ethnische Zugehörigkeit
  • Bartträger
  • Ungelenke Bewegungen
  • Geräusche
  • Farbe der Kleidungsstücke
  • Tragen von Gegenständen, oder Rollis älterer Menschen, Rollstuhl

Viele Hunde, die Angst vor Menschen haben, reagieren ganz besonders auf männliche Personen, halten zu diesen (auch wenn das Training an sich schon gute Erfolge zeigt) eher Abstand zu Männern als zu Frauen und brauchen auch länger, um Kontakt/Vertrauen zu Männern aufzubauen

Auslöser bei Angst vor Tieren können sein

  • Alter
  • Geschlecht
  • Größe
  • Rasse
  • Lautgebung
  • Körpersprache

Eine Differentialdiagnose muss abklären, um welche Ursache es sich handelt, wie

  • Deprivationssyndrom
  • Ungehorsam
  • Reine Unsicherheit
  • Kognitives Dysfunktionssyndrom
  • Medizinische Probleme

Mögliche Therapieansätze

  • Allgemeine, angstreduzierende Maßnahmen:
  • Gute Hund-Halter-Bindung, dadurch mehr Orientierung an den Halter
  • Gehorsamstraining, Kommunikation verbessern
  • Eine angemessene körperliche und geistige Auslastung
  • Routine im Tagesablauf
  • Entspannung trainieren
  • Selbstvertrauen aufbauen durch fördern des eigenständigen Verhaltens

Voraussetzung für eine Desensibilisierung/Gegenkonditionierung

  • Der Auslöser muss bekannt sein
  • Auslöser außerhalb der Trainingseinheiten vermeiden
  • Eine tolle, individuelle Belohnung finden
  • gutes Timing des Halters
  • ZEIT und GEDULD

Desensibilisierung/Gegenkonditionierung

  • Der Auslöser ist so sehr reduziert darzubieten, so dass kaum eine Reaktion des Hundes erfolgt
  • Ganz langsame Reizsteigerung über Wochen hinweg
  • Positives Verhalten immer belohnen
  • Alternativverhalten konditionieren
  • Verknüpfung mit positiven Effekten

Den Hund bitte keinesfalls dem sog. Flooding also der Reizüberflutung aussetzen, das kann böse ausgehen und Trainingserfolge zunichte machen

Angstaggression

Die behandlungsbedürftige Aggression ist meist mit einer Angstkomponente verbunden.

Die soziale Aggression

richtet sich meist gegen den Besitzer bzw. andere Hunde im gleichen Haushalt
Diese Hunde sind meist nicht selbstbewusst und zeigen ambivalente Körpersprache gegenüber den Besitzern
Knurren und gleichzeitig extreme Unterwürfigkeit sind häufig

Typische Konfliktsituationen sind z. B.:

  • Futter
  • Anfassen
  • dem Liegeplatz zu nah kommen
  • aus Schlaf wecken
  • Gegenstände wegnehmen
  • Schimpfen/körperlich strafen

Therapie

  • Keine Konfrontation
  • Kritische Situationen vermeiden, bzw.Desensibilisierung
  • Rangordnung gewaltfrei klären
  • Besitzer-Hund-Beziehung verbessern
  • Keinesfalls Aggression mit Aggression begegnen

Aggression gegenüber Hunden/Menschen außerhalb des Rudels

  • Ursache ist meist mangelnde Sozialisierung/schlechte Erfahrung
  • kann sehr spezifisch sein
  • Ambivalente Körpersprache möglich
  • Graduelle Entwicklung
  • Lernen am Erfolg
  • Typischerweise stärkere Reaktion bei:
    • Männern und/oder Kindern
    • Dunkel gekleideten Personen
    • Gesicht nicht sichtbar (Bart, Helm)
  • Bisse typischerweise in Beine/Hände, nach dem abwenden
  • Selten ein frontaler Angriff (defensiv)
  • Eskalation häufig wenn keine Ausweichmöglichkeit da ist

Therapie:

  • die eigene Haltung überprüfen
  • die Kommunikation verbessern
  • Angemessene geistige und körperliche Auslastung
  • Desensibilisierung/Gegenkonditionierung

Verhaltensregeln für Gäste/Besucher (gilt auch für „nur“ ängstliche Hunde)

  • Nicht in die Augen starren
  • Nicht ansprechen
  • Nicht anfassen
  • Nicht direkt auf Hund zugehen (besser Bogenlaufen)
  • Weiche Körpersprache
  • Leise, sanfte Stimme

Auf keinen Fall: Knurren, Zähnefletschen, ausweichen etc. abtrainieren

Territoriale Aggression gegenüber Menschen/Hunden

  • Meist mit Angst-/Unsicherheitskomponente einhergehend
  • Schwierig zu „heilen“
  • Zeigt sich durch Bellen und Toben wenn Passanten vorbeigehen
  • Kann durch Bewegungen von Gästen reaktiviert werden
  • Entsprechendes Management ist unabdingbar
  • Medikamente dürfen nur nach sorgfältiger Abwägung und genauer Indikation verabreicht werden
    • KEIN Buspiron oder Alprazolam bei gehemmter Aggression, diese bewirken eine Enthemmung
  • Die Lebensumstände müssen dem Hund angepasst werden
  • Hund nicht zu sehr überfordern
  • Gesunden Menschenverstand einsetzen
  • Immer vorausschauend handeln/planen

Deprivationssyndrom
Darunter versteht man alle Symptome, die durch eine reizarme Aufzucht entstehen, der Hund erhält kaum Sinneseindrücke, dadurch entwickeln sich die Gehirnstrukturen nur mäßig, es kommt zu einer mangelnden Vernetzung der Gehirnzellen und damit schlechter Lernfähigkeit.
Diese Hunde kommen nur mit den während der Aufzucht erlebten Situationen zurecht.

Die Verbesserung ist sehr langwierig und schwierig, da eben Lernen, Selbstkontrolle und Anpassungsfähigkeit dieser Hunde mangelhaft sind.

Symptome können sein:

  • generelle Ängstlichkeit
  • Überforderung in neuen Situationen
  • Angst das Haus (bei Dunkelheit) zu verlassen
  • Fluchtreaktionen bei kleinster Störung
  • Angst im Dunkeln
  • Mangelnde Stubenunreinheit, bzw. schwer erlernbar
  • Trennungsangst
  • Geräuschangst
  • nur in ruhiger/vertrauter Umgebung entspannt

Die Therapie des Deprivationssyndroms ist schwierig, sehr langwierig und erfordert vom Halter sehr viel Geduld und Sanftmut

Therapiegrundlagen:

  • möglichst entspannte Lebensumstände
  • Ein gutes Hund-Halter-Verhältnis
  • Angemessene körperliche und geistige Auslastung
  • Gehorsamstraining und gute Kommunikation
  • Tägliche Routine

Eine Desensibilisierung/Gegenkonditionierung kann nur schrittweise erfolgen, also ein Problem nach dem anderen behandeln.
Anfangs kann es notwendig sein, gewisse Medikamente in Absprache mit dem TA zu verabreichen, um lernen überhaupt zu ermöglichen.

Im Einzelfall kann ein stabiler, ruhiger Zweithund als Vorbild helfen.

PTSS-ähnliche Störung (Posttraumatische Streß-Störung)

Einer PTSS-Störung gehen ein oder mehrere Ereignisse oder das Beobachten von außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophalem Ausmaß voran

Sie tritt meist innerhalb von 6 Monaten nach dem Ereignis auf und äußert sich durch das anhaltende, wiederkehrende Durchleben der auslösenden Situation (Albträume etc.)

Ursachen für PTSS-ähnliche Störung:

  • Naturkatastrophe
  • Feuer
  • Autounfall o. Ä.
  • Schwere Verletzungen durch andere Hunde
  • Traumatische Erlebnisse beim Tierarzt
  • Schwere Misshandlungen (auch sexuell)
  • Kriegseinsatz

Zur Diagnose ist eine ausführliche Anamnese und Identifizierung eines „Traumas“ notwendig, nachdem plötzliches, extremes Angstverhalten aufgetreten ist
Hier muss auch geklärt werden, ob es evtl. um Trennungsangst, Geräuschangst oder das Deprivationssyndrom handelt.

Die Therapie ist mitunter schwierig und langwierig, es müssen angstreduzierende Maßnahmen und vermeiden der traumatischen Situation angestrebt werden Desensibilisierung/Gegenkonditionierung bezüglich einzelner Aspekte, ein möglichst ruhiges Leben.
Anxiolytika sind zumindest anfangs fast immer unvermeidlich und mit dem TA zu besprechen.

Prophylaxe - Angststörungen aller Art

  • Verantwortungsvolle Zucht
  • Nicht nur nach Exterieur züchten
  • Keine Zucht mit sehr ängstlichenPersönlichkeiten
  • Keine Zucht mit dem Schild “Masse statt Klasse “
  • Sozialisierung/Habituation beginnt beim Züchter
  • Einen guten, verantwortungsvollen Züchter suchen, wo die Hunde mit Familienanschluss leben, nicht nur auf dem Einödhof, oder im Stall
  • Aktives Einladen von geeigneten Gästen durch Züchter
  • Hund muss positiven Kontakt haben mit verschiedenen Menschen
  • Kontakt mit dem Familienrudel, aber auch positiver Kontakt mit verschiedenen Hunden/Rassen

Welpenspielgruppen sind eine gute Möglichkeit zur Sozialsierung auf andere Hunde, aber nur WENN gut geführt !! Sonst ist die Auslösung von Angstaggression möglich

  • Welpenspielgruppen sollten kleine Gruppen (nicht mehr als 4-5 Welpen pro Betreuer!) haben
  • Eine Altersgruppe (keine 6-monatigen Hunde mit Welpen zusammen)
  • Kontrolliertes Spiel
  • Informationen zu Sozialisierung, Stubenreinheit etc. für Besitzer anbieten
  • Kleine Trainingseinheiten an verschiedenen Orten
  • Gute Sozialisierung/Habituation durch den Besitzer
  • Den Hund mit verschiedenen Situationen/Gegenständen etc. in Kontakt bringen, die er im späteren Leben braucht
  • ABER: Bitte nicht übertreiben!!!!

Prophylaxe Trennungsangst

  • wenig Besitzerwechsel
  • Langsames Gewöhnen an Alleinbleiben (unabhängig von Alter des Hundes)
  • Gewöhnung an Alleinbleiben an bestimmten Orten (Urlaub)
  • Gewaltfreies, positives Training
  • Hund alters- und rassegerecht auslasten
  • Keine konstante Überforderung
  • Entspannter Umgang mit Hund
  • teilhaben lassen an „normalem“ Leben

Älterer Hund

  • Auch leichtes Angstverhalten wahrnehmen und evtl. gleich behandeln
  • den Hund in schwierigen Situationen sanft und ruhig unterstützen (kein Druck)
  • gesundheitliche Probleme erkennen und erstnehmen/behandeln

Besonders häufige Probleme bei Hunden bestimmter Herkunft

  • Straßenhunde aus Südeuropa/Karibik: Angst(-aggression) gegenüber Menschen
  • Hunde aus Rumänien: Angst(-aggression) gegenüber Hunden
  • Hunde aus Tötungsstationen:
    • Angst(-aggression) gegenüber Menschen (v.a. Männer, Handschuhe, Schürze, schwere Stiefel etc.)
  • Wühltischwelpen: Deprivationssyndrom
  • Hunde mit mehreren Besitzerwechseln:
  • Trennungsangst
  • Kleine Anzeichen während der Eingewöhnungszeit erkennen und rechtzeitig behandeln

Ich möchte noch nach meinen eigenen Erfahrung darauf hinweisen, das das Leben mit einem Angsthund nicht immer einfach ist, es kostet oft Zeit und Nerven, kann zeitweise eine extreme Belastung und auch Einschränkungen des eigenen Lebens bedeuten.

Bei mir waren es immer erwachsene/ältere Hunde mit teils schlechter und/oder unbekannter Vergangenheit, die gewisse Probleme mitbrachten.

Kaya zog mit 11 Monaten ein und hatte von Beginn an Panik vor Schüssen, Gewitter und extreme Sylvesterangst

Mika (eingezogen mit unbestimmten Alter zwischen 9-12 Jahren) war anfangs massiv angstaggressiv und ging auf alles vierbeinige los

Inka (eingezogen mit 6 Jahren) war extrem ängstlich, hatte null Selbstbewusstsein und litt sicher unter dem Deprivations-Syndrom.

Beeke (Einzug mit 8 Jahren) hatte massive Ängste vor Menschen

Tiffy (Einzug mit 3 Jahren) hatte anfangs Angst bis Panik vor jedem anderen Hund und schrie wie am Spieß

Hilfreich bei der Arbeit mit einem solchen Hund sind realistische Erwartungen, also bitte den Hund erst einmal akzeptieren, wie und was er ist.
Das Verhalten kennenlernen und analysieren, in kleinen Schritten vorgehen, Verbesserungen erkennen. Dazu bietet sich das führen eines Tagebuches an.
Ruhig mal Trainingspausen machen und bei all der Mühe und auch Rückschlägen den Spaß nicht vergessen.

Bitte Bedenken
Wir verlangen Extremes von unseren Hunden ... oft mehr als von uns selbst!