Inhaltsverzeichnis
Haltung
Dies ist eine Zusammenfassung meiner Notizen bzw. der Folien vom Seminar Angstverhalten
November 2013
Dozentin
Dr. med. vet. Barbara Schneider
Als erstes müssen wir unterscheiden zwischen Furcht und Angst.
Angst ist nie konkret, sondern ein Grundgefühl, das sich in bedrohlich empfundenen Situationen als Besorgnis und unlustbetonte Erregung äußert.
Auslöser können erwartete Bedrohungen wie z.B. der körperlichen Unversehrtheit, der Selbstachtung oder des Selbstbildes sein.
Furcht dagegen ist konkret und ein Gefühl konkreter Bedrohung. Furcht bezeichnet die Reaktion des Bewusstseins auf eine gegenwärtige oder vorausgeahnte Gefahr und ist im Gegensatz zur Angst fast immer rational begründbar.
Die natürliche Furcht/Erschrecken ermöglicht eine sinnvolle Reaktion auf schwierige Situationen
Anzeichen von Angst (körperlich und im Verhalten) können sein:
Im Extremfall kann es auch zu
Normale Entwicklung
Zuerst einmal ist Angst ein ganz natürlicher Teil der normalen Entwicklung, insbesondere Welpen sind anfangs nur neugierig, da sich das Angstgefühl erst mit ca. der 6. Lebenswoche entwickelt, aber der 8. Woche wieder die Neugier überwiegt.
Angstphasen sind vermutlich
1. Phase: ca. 8-10 Wochen
2. Phase: ca. 17-21 Wochen (4 Mo)
3. Phase: ca. 9. Monat
4. Phase: 12-14 Monate
Diese Entwicklung ist nicht genau festzulegen, da von Rasse zu Rasse und auch innerhalb eines Wurfes unterschiedlich !
Unsicherheiten des Hundes sind oft schwer von Angst abzugrenzen, allerdings ist der Hund bei Unsicherheit insgesamt zwar sehr vorsichtig, aber noch gut ansprechbar und lernfähig, mit einem guten Vorbild kommt er gut zurecht
Phobien sind eine Sondergruppe der Angst, es gibt zwar konkrete Auslöser, aber es ist keine reale Gefahr vorhanden, der Hund aber hat krankhafte Angst und ein massives Gefühl der Machtlosigkeit,
Beispiele für Phobien:
Geräuschphobie (Gewitter, Knaller, Schüsse, extrem dann zu Sylvester)
Trennungsangst/-phobie
Panik ist nicht generalisiert, also auf bestimmte Situationen bezogen, meist unvorhersehbar für den Halter. Panik kann mit starken körperlichen Symptomen einhergehen wie Herzrasen, extremes Hecheln, Speicheln, Erbrechen, koten, urinieren
Angst an sich ist wichtig und lebensnotwendig, die gelernte Verbindung von diversen Reizen und deren Konsequenzen, wird also erlernt durch eigene Erfahrungen, der Beobachtung fremden Verhaltens (z.B. Zweithund), Unsicherheit und dadurch bedingtes Verhalten des Besitzers, Warnhinweise des Halters usw.
Häufige Ursachen sind u. a.
Schlechte Zucht
Vermehrer
Nicht zu unterschätzen bei Angst ist auch das Thema Schilddrüse
Schilddrüsen-Funktion Link einfügen
Was passiert bei Angst?
In bedrohlich empfundene Situation reagiert die Amygdala (zuständig für die Verarbeitung von Sinneseindrücken) die Nebennierenrinden-Achse wird aktiviert,
Adrenalin wird ausgeschüttet, es entsteht erhöhte Aufmerksamkeit, die Pupillen erweitern sich, Seh- und Hörnerven werden empfindlicher
Auswirkungen von Adrenalin, Noradrenalin und Corticosteron sind:
Die o.g. Auswirkungen versetzen den Körper in eine erhöhte Leistungsbereitschaft, sind also soweit normale Reaktionen, die das Überleben in bestimmten Situationen sichern sollen
Die Abgrenzung zwischen „natürlicher Angst“ und einer Angststörung ist nicht immer leicht, daher muss der gesamte Kontext gesehen werden
Eine Angststörung liegt z. B. vor, wenn:
Angstauslöserbei prädispositionierten Hunden können sein:
Allgemeine Therapieansätze können sein:
Im Training allgemein:
Bei sehr unruhigen/hibbeligen Hunden kann „Entspannen auf Kommando“ hilfreich sein
Kehrtwende üben (um einer Gefahr aus dem Weg gehen zu können)
Bei einer Desensibilisierung geht man wie folgt vor
Eine Gegenkonditionierung kann mit der Desensibilisierung verbunden werden
Eine Gewöhnung funktioniert allerdings nur bei leichter Angst.
DAP (Dog appeasing pheromone) sind einem Pheromon nachempfunden, das von laktierenden Hündinnen ausgeschieden wird. Dem Produkt wird eine beruhigende Wirkung nachgesagt, die jedoch in Fachkreisen umstritten ist.
Ich selber habe es bei zwei Hunden getestet.
Hund 1: massive Gewitter u. Sylvesterpanik, DAP über mehrere Wochen als Zerstäuber in der Steckdose
Keinerlei Verbesserung mit DAP
Hund 2: nach Einzug bei uns anfangs täglich lautes Schreien und umherlaufen im Auto (Pet-Tube), wollte anfangs nicht einmal ins Auto steigen.
Ca. 2 Wochen regelmässig vorher im Auto versprüht
Keinerlei Verbesserung mit DAP
Verbunden mit positiven Erfahrungen nach kurzen Autofahrten und Hilfe von Dana hat er die Angst verloren.
Calming Cap, eine Art Maske die sich über den Kopf zieht
Angst vor Böllern
Diese kann ab dem ersten erlebten Sylvester oder nach einem besonders heftigen Sylvester auftreten, auch eine genetische Prädisposition ist möglich.
Im Gegensatz zur Gewitterangst (disponierte Hunde haben sowohl mit Gewitter, als auch an Sylvester massive Probleme) ist Sylvester besonders schlimm, da die Knallerei oft über Tage anhält und der Hund kaum eine Chance hat, diesem angsteinflößenden Problem auszuweichen und damit immer mehr in eine sogenannte erlernte Hilflosigkeit gerät.
Symptome sind u. a.
Meist beginnen die Symptome mit dem 1. Knaller und halten in schweren Fällen teilweise bis zu 1 Woche nach Sylvester an. Dies ist durch den langsamen Abbau der tagelang aufgebauten Stresshormone bedingt.
Managementmaßnahmen
Bei uns hat es um Mitternacht immer mit Deep Purple in Arena Laustärke Erleichterung gebracht, dies überspielt das heftige Geräusch der Knaller.
WARNUNG !!!
Es soll immer noch – obwohl die Wirkung erwiesen ist – Tierärzte geben, die als Anxiolytika (Mittel gegen die Angst) Acepromazin/Vetranquil bei Geräuschangst/Sylvesterpanik verschreiben.
Dieses Mittel stellt den Hund ruhig, ABER die Geräuschempfindlichkeit steigt an, ist also in meinen Augen Tierquälerei !
In schweren Fällen kann unter Umständen Alprazolam verabreicht werden, dies ist ebenso wie die genaue Dosierung mit dem TA zu besprechen ! (verschreibungspflichtig !)
Bei diesem Medikament ist zu beachten:
Es muss unbedingt für einige Tage länger vor Sylvester verabreicht/getestet werden denn:
Es kann wie bei einigen Menschen bei Valium genau zur umgekehrten Reaktion führen, d. h. es sediert den Hund dann nicht, sondern steigert seine Erregung und kann zu Aggressionen führen.
Auch darf es nicht zu oft/lang gegeben werden, da es wie beim Menschen bei regelmäßiger Einnahme zu Abhängigkeit führen kann.
Hunde mit Leberschäden, trächtige und laktierende Hündinnen dürfen es ebenfalls nicht einnehmen !
Man kann natürlich eine Desensibilisierung versuchen, allerdings ist diese sehr zeitaufwändig, auch stressig für den Hund und gerade bei Sylvesterangst (also Dauerbeschallung) selten richtig erfolgreich.
Die im Handel erhältlichen Geräusch-CD`s kann man versuchen, allerdings können die meisten Hunde unterscheiden, ob die Geräusche aus dem Lautsprecher kommen oder „echt“ sind.
Gewitter/Geräuschangst bzw. Phobie
Oft sind ängstliche/leicht nervöse Hunde betroffen, erste Symptome treten teils mit 1-2 Jahren auf, die sich dann jährlich verschlechtern können.
Kann auch in Verbindung mit Trennungsangst auftreten.
Gerade bei einer Geräuschphobie ist oft Detektivarbeit nötig, um den entsprechenden Auslöser zu identifizieren.
Kann durch genetische Prädisposition oder ein traumatisches Erlebnis ausgelöst werden.
Auslösende Geräusche können z.B. sein
Auslösende Reize bei Gewitterangst/Phobie
Symptome können sein
Managementmaßnahmen
Anxiolytika, die sich nicht bewährt haben sind Selgian und Zylkene
Trennungsangst (allgemein)
Erste Symptome treten oft im 2. Lebensjahr auf, die sich dann – nicht behandelt – immer mehr manifestieren.
Grundsätzlich ist das alleine bleiben nicht normal für einen Hund, sie können es aber durchaus lernen, eher ängstliche Hunde sind anfälliger für Trennungsangst, je häufiger ein Bezugspersonenwechsel stattgefunden hat, desto stärker die Neigung zu Trennungsangst.
Trennungsangst kann aber auch durch eine Geräuschangst ausgelöst bzw. verstärkt werden.
Auch eine zu enge Bindung kann zu Trennungsangst führen!
Symptome können u. a. sein
Für eine genaue Anamnese sind Videoaufnahmen, mind. aber Tonaufzeichnungen und Beschreibung der Gesamtsituation/Tagesablauf notwendig
Therapie:
Alleinbleiben trainieren
Unterstützende Maßnahmen können sein
Das oft beschriebene Training wie:
Mantel anziehen, Schlüssel nehmen, daheim wieder alles weglegen und sich hinsetzen (ohne wirklich zu gehen) führt zu keinem Erfolg und ist eher kontraproduktiv, da der Hund sehr wohl bemerkt, ob der Halter „nur so tut“ oder wirklich geht.
In wirklich extremen Fällen kann sich der Einsatz eines Medikamentes für die Anfangszeit empfehlen.
Dies ist genauestens mit dem TA/Verhaltenstherapeuten zu besprechen.
Keinesfalls einen 2. Hund anschaffen in dem Irrglauben, dann würde es besser/einfacher werden.
Ursachen können gesundheitliche oder körperliche Probleme sein, wie z.B.
Folgende Symptome können auftreten
Zur Diagnose ist eine ausführliche Anamnese nötig, um zu klären, ob es sich um „normale Trennungsangst oder das kognitive Dysfunktionssyndrom handelt
Bei körperlichen/gesundheitlichen Problemen sind diese zu behandeln, ggfls. diagnostische Schmerzmittel.
Ein plötzliches Auftreten von Angstverhalten ist immer verdächtig (auch wenn es nur in der Nacht auftritt. Das medizinisches Problem muss gefunden und behandelt werden, unter Umständen kann eine Schmerztherapie hilfreich sein, da damit Stress und Angst oft deutlich reduziert werden können.
Angst vor Personen/Gegenständen/Tieren
Nicht gemeint ist hier das kurze anbellen von Gegenständen, die üblicherweise nicht da hingehören, wie z.B. ein Luftballon in der Wiese.
Auch hier sind meist die eher ängstlichen Persönlichkeiten betroffen, die zudem
Symptome können sein
Für die Diagnose ist eine ausführliche Anamnese und genaue Beobachtung der spezifischen Situationen notwendig um den genauen Auslöser zu identifizieren
Auslöser bei Angst vor Gegenständen können sein
Auslöser bei Angst vor Personen können sein:
Viele Hunde, die Angst vor Menschen haben, reagieren ganz besonders auf männliche Personen, halten zu diesen (auch wenn das Training an sich schon gute Erfolge zeigt) eher Abstand zu Männern als zu Frauen und brauchen auch länger, um Kontakt/Vertrauen zu Männern aufzubauen
Auslöser bei Angst vor Tieren können sein
Eine Differentialdiagnose muss abklären, um welche Ursache es sich handelt, wie
Mögliche Therapieansätze
Voraussetzung für eine Desensibilisierung/Gegenkonditionierung
Desensibilisierung/Gegenkonditionierung
Den Hund bitte keinesfalls dem sog. Flooding also der Reizüberflutung aussetzen, das kann böse ausgehen und Trainingserfolge zunichte machen
Angstaggression
Die behandlungsbedürftige Aggression ist meist mit einer Angstkomponente verbunden.
Die soziale Aggression
richtet sich meist gegen den Besitzer bzw. andere Hunde im gleichen Haushalt
Diese Hunde sind meist nicht selbstbewusst und zeigen ambivalente Körpersprache gegenüber den Besitzern
Knurren und gleichzeitig extreme Unterwürfigkeit sind häufig
Typische Konfliktsituationen sind z. B.:
Therapie
Aggression gegenüber Hunden/Menschen außerhalb des Rudels
Therapie:
Verhaltensregeln für Gäste/Besucher (gilt auch für „nur“ ängstliche Hunde)
Auf keinen Fall: Knurren, Zähnefletschen, ausweichen etc. abtrainieren
Territoriale Aggression gegenüber Menschen/Hunden
Deprivationssyndrom
Darunter versteht man alle Symptome, die durch eine reizarme Aufzucht entstehen, der Hund erhält kaum Sinneseindrücke, dadurch entwickeln sich die Gehirnstrukturen nur mäßig, es kommt zu einer mangelnden Vernetzung der Gehirnzellen und damit schlechter Lernfähigkeit.
Diese Hunde kommen nur mit den während der Aufzucht erlebten Situationen zurecht.
Die Verbesserung ist sehr langwierig und schwierig, da eben Lernen, Selbstkontrolle und Anpassungsfähigkeit dieser Hunde mangelhaft sind.
Symptome können sein:
Die Therapie des Deprivationssyndroms ist schwierig, sehr langwierig und erfordert vom Halter sehr viel Geduld und Sanftmut
Therapiegrundlagen:
Eine Desensibilisierung/Gegenkonditionierung kann nur schrittweise erfolgen, also ein Problem nach dem anderen behandeln.
Anfangs kann es notwendig sein, gewisse Medikamente in Absprache mit dem TA zu verabreichen, um lernen überhaupt zu ermöglichen.
Im Einzelfall kann ein stabiler, ruhiger Zweithund als Vorbild helfen.
PTSS-ähnliche Störung (Posttraumatische Streß-Störung)
Einer PTSS-Störung gehen ein oder mehrere Ereignisse oder das Beobachten von außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophalem Ausmaß voran
Sie tritt meist innerhalb von 6 Monaten nach dem Ereignis auf und äußert sich durch das anhaltende, wiederkehrende Durchleben der auslösenden Situation (Albträume etc.)
Ursachen für PTSS-ähnliche Störung:
Zur Diagnose ist eine ausführliche Anamnese und Identifizierung eines „Traumas“ notwendig, nachdem plötzliches, extremes Angstverhalten aufgetreten ist
Hier muss auch geklärt werden, ob es evtl. um Trennungsangst, Geräuschangst oder das Deprivationssyndrom handelt.
Die Therapie ist mitunter schwierig und langwierig, es müssen angstreduzierende Maßnahmen und vermeiden der traumatischen Situation angestrebt werden Desensibilisierung/Gegenkonditionierung bezüglich einzelner Aspekte, ein möglichst ruhiges Leben.
Anxiolytika sind zumindest anfangs fast immer unvermeidlich und mit dem TA zu besprechen.
Prophylaxe - Angststörungen aller Art
Welpenspielgruppen sind eine gute Möglichkeit zur Sozialsierung auf andere Hunde, aber nur WENN gut geführt !! Sonst ist die Auslösung von Angstaggression möglich
Prophylaxe Trennungsangst
Älterer Hund
Besonders häufige Probleme bei Hunden bestimmter Herkunft
Ich möchte noch nach meinen eigenen Erfahrung darauf hinweisen, das das Leben mit einem Angsthund nicht immer einfach ist, es kostet oft Zeit und Nerven, kann zeitweise eine extreme Belastung und auch Einschränkungen des eigenen Lebens bedeuten.
Bei mir waren es immer erwachsene/ältere Hunde mit teils schlechter und/oder unbekannter Vergangenheit, die gewisse Probleme mitbrachten.
Kaya zog mit 11 Monaten ein und hatte von Beginn an Panik vor Schüssen, Gewitter und extreme Sylvesterangst
Mika (eingezogen mit unbestimmten Alter zwischen 9-12 Jahren) war anfangs massiv angstaggressiv und ging auf alles vierbeinige los
Inka (eingezogen mit 6 Jahren) war extrem ängstlich, hatte null Selbstbewusstsein und litt sicher unter dem Deprivations-Syndrom.
Beeke (Einzug mit 8 Jahren) hatte massive Ängste vor Menschen
Tiffy (Einzug mit 3 Jahren) hatte anfangs Angst bis Panik vor jedem anderen Hund und schrie wie am Spieß
Hilfreich bei der Arbeit mit einem solchen Hund sind realistische Erwartungen, also bitte den Hund erst einmal akzeptieren, wie und was er ist.
Das Verhalten kennenlernen und analysieren, in kleinen Schritten vorgehen, Verbesserungen erkennen. Dazu bietet sich das führen eines Tagebuches an.
Ruhig mal Trainingspausen machen und bei all der Mühe und auch Rückschlägen den Spaß nicht vergessen.
Bitte Bedenken
Wir verlangen Extremes von unseren Hunden ... oft mehr als von uns selbst!