Mythen und Halbwahrheiten

Mythen und Halbwahrheiten über den Hund die so in der Welt kursieren.

Notizen zum Vortrag Dr. Gansloßer am 12.12.2013 in München

Beziehung Wolf / Beziehung Hund

Was können/dürfen wir übertragen
Das Hundeverhalten kann nicht 1: 1 mit dem Wolfsverhalten verglichen werden.
Wir müssen immer erst schauen:

  • um was genau geht es
  • um welches Alter
  • welche gemeinsame Biologie steckt darin
  • was kann ich unterstellen, was nicht
  • was ist gemeinsam
  • wo sind die Unterschiede

Intensive Forschungen an und über Hunde gibt es erst seit einigen Jahren, man kommt also zu immer neuen/besseren Erkenntnissen und muss von daher auch so einiges an bisherigem Wissen in Frage stellen bzw. neu überdenken.

Es ist Stärke, keinesfalls Schwäche, neue wissenschaftliche Arbeiten anzuerkennen und dadurch auch einmal seine bisherigen Erkenntnisse zu revidieren.

Anfang 2013 wurde durch schwedische Studien festgestellt, dass Hunde im Gegensatz zu Wölfen Kohlenhydrate und Stärke besser verwerten können, es haben hier also Veränderungen im Erbgut stattgefunden.

Das bedeutet nun keineswegs, seinen Hund mit Getreide vollzustopfen !

Eine andere Gruppe von Genabschnitten ist verantwortlich für das unterschiedliche Sozialverhalten von Wolf und Hund.

So kann der Hund durchaus mit dem Menschen kommunizieren, die menschliche Sprache wird verstanden, hier hat eine Weiterentwicklung in der Evolution durch das Zusammenleben des Hundes mit dem Menschen stattgefunden.
Hunde können menschliche Interaktionen nachvollziehen, sowohl Stimme alleine als auch Gesten, Wölfe können das kaum.
Hunde haben eine weitaus größere Fehlertoleranz als Wölfe und sind nicht lange nachtragend, sie verzeihen uns auch mal Fehler.
Wölfe dagegen sind sehr nachtragend, 1-2 Fehler des Menschen und wir sind unten durch.
Die soziale Toleranz von Hunden untereinander ist wesentlich höher als bei Wölfen.

Beispiel:

Hund trifft unbekannten Hund = kein Kampf
Wolf trifft unbekannten Wolf = zu 95 % Ärger/Kampf sind Programm
Es haben also auch hier Veränderungen im Erbgut stattgefunden
Natürlich gibt es Rasseunterschiede/verändertes Aussehen /Zucht des Hundes,
auch Verhalten und Gene haben Einfluss auf das Verhalten einzelner Exemplare

Dominanz
Siehe auch Dominanz aus Verhaltensbiologischer Sicht.
Wird leider immer noch sehr oft missverstanden und falsch interpretiert.

Dominanz ist eine Beziehung, keine Eigenschaft.
Dominanz hat nichts mit Aggression zu tun.
Aggression ist eine von vielen Möglichkeiten, um auf eine unangenehme Situation zu reagieren.
Aggression ist kein geschlossener Verhaltenskreis wie Sexualverhalten oder Futteraufnahme.

Aussagen wie:

  • gehe immer vor dem Hund aus der Tür
  • gehe immer vor dem Hund
  • esse vor dem Hund
  • lasse den Hund niemals erhöht liegen
  • usw.

sind völlig unsinnig in diesem Zusammenhang

Ein dominanter Hund kann sich ohne Gewalt durchsetzen, denn der rangniedrigere erkennt freiwillig dessen Privilegien an, bekommt dafür aber auch etwas.

Oft werden gerade die unsicheren Exemplare als dominant bezeichnet, weil er z.B. auf Kommandos/Handlungen des Menschen nicht richtig/sofort reagiert, aber es wird dafür Konfliktverhalten gezeigt.
Hier liegt also eine Fehldiagnose von Halter/Trainer vor.

Will der Mensch der Dominante sein, muss er souverän auftreten, Ruhe ausstrahlen, konsequent sein, für den Hund muss es Vorteile haben, ihn anzuerkennen.

Lassen Sie ihren Hund niemals erhöht bzw. über Ihnen liegen – auch eine oft gehörte Aussage.
Es konnte bisher in keiner Studie bzw. Beobachtungen an Wölfen bzw. ausgewilderten Hund bewiesen werden, dass der Alpha immer erhöht liegt.

Stellen wir uns einen Liegeplatz der Wölfe in freier Wildbahn vor:
Eine große Fläche, in der Mitte eine bequeme Sandkuhle, hier liegt der „Alpha“.
In der Sandkuhle hat es sich der Alpha bequem gemacht und das Rudel legt sich oft um ihn herum, wobei das Hinzulegen selten vom Alpha, sondern in den meisten Fällen von den Rudelmitgliedern ausgeht.

Weiter oben (möglichst mit Rundumblick) liegt der eher unsichere Typ (Alarmhund).

Die Ranghohen haben oft weitere Rudelmitglieder um sich, die Initiative des dazulegen geht meistens von den Rangniedrigeren aus.

Dies kann ich aus eigener Beobachtung bei langjähriger Rudelhaltung durchaus bestätigen.

Oft wird geraten, den Hund bei der Begrüßung zu ignorieren, er würde sonst dominant.
 Link zum Thema Begrüßung

Der Alpha gibt die Raum-Zeitliche Struktur vor, wie Aufbruch, Schlaf usw.
Man kann sich das wie ein Gummiband vorstellen – Alpha geht los, die anderen folgen wie von einem Gummi gezogen und achten auf eine nicht zu weite Entfernung.

Der Zugang zum Futter hat ebenfalls nichts mit Dominanz zu tun, weder beim Wolf, noch beim Hund.
Die Innuit z.B. füttern ihre Hunde immer bevor sie essen.

Experimente dazu u.a.

  • Hund und Mensch befinden sich in einem Raum mit einer Schlüssel voll mit leckerem Futter
  • Der Hund geht zur Futterschüssel und beginnt zu fressen
  • Aus einem verstecken Lautsprecher ertönt daraufhin das aufgezeichnete knurren eines fremden Hundes in verschiedenen Situationen
  • Knurren als Futterverteidigung = der Hund im Raum weicht sofort von der Futterschüssel zurück, geht auch nicht mehr an den Napf
  • Knurren als Selbstverteidigung = kurzes stutzen, danach wurde weitergefressen
  • Knurren in einer Spielsituation = kurzes stutzen, danach wurde weitergefressen
  • Ein rangtiefer Hund aus einer Mehrhundehaltung, ihm wird in einem Raum Futter gezeigt, welches er nehmen darf.
    .... Er frisst und in dem Moment kommt der Ranghöhere seines Rudels in den Raum.
    .... Fast alle rangtieferen durften das Futter behalten !

Die Dominanz- Aggression würde man besser als Impuls-Aggression bezeichnen.
Hier ist eine mangelnde Fähigkeit zur Impulskontrolle vorhanden.
Einen Impuls-aggressiven Hund zu kastrieren ist der falsche Weg, da das Serotonin damit noch weiter in den Keller geht und Wut, Angst, Ärger sich bei diesem Hund durchaus verschlimmern können.

Mehrhundehaltung

Die rangtieferen beobachten das Verhalten von höher stehenden Hunden oder Menschen und das führt dazu, das sich ein ranghoher meist nur vom Menschen etwas abschaut, nicht vom rangtieferen Hund.

Markieren von Hunden aus Mehrhundehaltung
Rangtiefe, auch unsichere Hunde markieren ca. gleich oft wie ranghohe, schnuppern aber länger an den anderen Duftmarken, auch das übermarkieren bei Menschen hat nix mit Dominanz zu tun.

Rangordnung strikt von oben nach unten ist nicht mehr aktuell.
Dieses Modell bezieht sich noch auf Beobachtungen aus Kleingehegen mit Wölfen und ist als Modell für die freie Wildbahn / große weite Gehegehaltung und unsere Haushunde nicht mehr tragbar.

Was tun Hunde eigentlich den ganzen Tag???

50 – 70 % des Tages werden verschlafen, wobei 50 % eher die Pubertät bzw. den erwachsenen Hund betreffen, Senioren verschlafen mehr als 70 % des Tages!!

Die restlichen Stunden gliedern sich in folgende Aktivitäten:

  • 50-60 % wachsames herumliegen
  • 25 % Sozialverhalten (immens wichtig)
  • 15 % jagen/Nahrungsaufnahme

Dieses Zeitbudget würde mehrfach durch Studien an verwilderten Haushunden (u.a. G. Bloch) untersucht.

Die sozial-stabile Bindung/Beziehung der Hunde untereinander bzw. zum Menschen ist das wichtigste !!!!

Sport, Turniere, BGH sind vergleichbar mit extremen Turniertanz, haben aber nichts mit der sozialen Bindung Hund/Mensch zu tun.

Jagdverhalten.

Ein weiterer Bereich des Hundeverhaltens ist das Jagdverhalten, welches ebenfalls kein Aggressionsverhalten ist.
Ein fehlgesteuertes Beutefangverhalten kann jedoch ansatzlos unkontrollierbar werden, z.B. ausgelöst durch rennende Kinder, fortlaufende, schreiende Kleinhunde.
Aggression hängt immer mit Emotionen, wie Angst, Wut, Schmerz zusammen.

Oft wird gesagt, die Rudeljagd sei der wichtigste Faktor innerhalb eines Wolfsrudels
Auch das ist ein Mythos, der wichtigste Teil und Faktor zum zusammenhalt eines Wolfsrudels (übertragbar auf Hunde) ist wie oben beschrieben der soziale Zusammenhalt

Belegstudie
SDMA-Test (Swedish Dog Montality Assesment (es wurden ca. 12.000 Hunde bisher getestet)
Ein Befund daraus ist, das Jagdverhalten im Rahmen einer Verfolgungsjagd auftritt , aber keine Aggression darstellt.

1 Jahr später wurde einige Halter befragt, wie ist ihr Hund im Alltag ? – Doppelblindtest.
Bei allen Verhaltenseigenschaften gab es eine hohe Korrelation, nur nicht bei Aggression.

Ergebnisse z.B.

  • Im Test wie eine Granate
  • Daheim total ruhig bzw. umgekehrt

d. h. diese Tests sind kaum alltagstauglich

Hund macht grrr – das Objekt weicht aus = alles super = Hund ist sofort ruhig.
Aber, oft darf der Hund selbst das nicht mehr und ein leichtes knurren wird fälschlicherweise vom Halter unterbunden.

Abbruchsignale

Was macht der Hund, wenn er ein Abbruchsignal erhält ?
- Er reagiert

Teil des natürlichen Konflikmamagement ist es, danach schnell wieder Frieden zu schliessen und Versöhnungsverhalten, wie Spiel, Kontaktliegen usw. zu zeigen, dieses kann von beiden Seiten ausgehen.

Hunde können sich so etwas – entgegen der oft noch vorherrschenden Meinung von 2- 3 Sekunden, bis zu 10 Minuten (auch unter Ablenkung) merken,
der Durchschnitt bei Hunden liegt bei ca. 2 – 2,5 Minuten.

Aggressionstrieb

Konrad Lorenz war der Ansicht der Aggressions-Trieb müsse regelmäßig ausgelebt werden und hat das auch auf Menschen übertragen.
Der Aggressions-Trieb muss nicht ausgelebt werden (Es gibt im gesamten Tierreich keinen eindeutigen Beweis dafür !)
Je weniger dieser gebraucht wird, umso besser.

Denn lernt Hund, das er mit dem Aggressions-Trieb /Verhalten so durchkommt, ist das nicht so gut.
Das Aggressions-Spiel aber ist wichtig (ganz besonders für Welpen) um diesen wichtigen Faktor und seine Auswirkungen /Impulse im Gehirn zu verankern.

Hormone

Kastration ist in Deutschland – Ausnahme gesundheitliche Gründe – auch nach Meinung diverser Juristen – verboten.
Dieser § steht eigentlich nur noch wegen der streunenden Katzen im Gesetzbuch.
Eine pauschale Kastration ist Gesetzwidrig und kann zur Anzeige gebracht werden
.

Krankheiten, die durch Kastration eher auftreten können sind:

  • Lymphdrüsenkrebs
  • Kreuzbandriss
  • Mastzellen-Tumore
  • Milchdrüsen-Tumore

Viel mehr zu einer Tumorbildung tragen bei:

  • Zuviel Energiezufuhr
  • Fettleibigkeit als Welpe bzw. Junghund, also bitte die Ernährung beachten !
  • Die Spritze zur Unterdrückung der Läufigkeit
  • Selbstverständlich ist eine Hündin nach der Läufigkeit immer genau zu beobachten um eine evtl. Gebärmutterentzündung rechtzeitig zu erkennen.

Erst mit 18-20 Monaten kann man in etwa voraussagen, wie der Hund sich weiter entwickelt.
Weibchen sind hormonell und geistig frühestens nach der 2 bzw. 3. Läufigkeit stabiler.
Durch eine Kastration steigt die Hysterie, das Selbstvertrauen sinkt.
Ebenfalls steigt das Risiko einer Schilddrüsen-Unterfunktion um das 3-fache durch eine Kastration.

  • Die Schilddrüsen-Unterfunktion hat beim Hund weitaus mehr Gesichter/Symptome als bei Menschen.
    • Pauschal: Rassetypische Merkmale werden verstärkt.
    • Durch die Schilddrüse werden auch andere Hormone des Hundes gesteuert.
  • Eine Blutanalyse ist gut und wichtig, dazu muss aber das ganze Verhalten des Hundes einbezogen werden.

Auch das Demenzrisiko steigt an, da die Sexualhormone eine Schutzfunktion im Gehirn ausüben.
Progestoron ist vermutlich auch sehr stark verantwortlich für das Sozialverhalten im Rudel